Wie schutzbedürftig muss ein geflüchteter Mensch sein? Wie soll er sich verhalten, was fordern, wo sich unterordnen? Die Erwartungen der "Aufnahmegesellschaft" sind schwer zu erfüllen. Das meint Migrationsexpertin Judith Kohlenberger und erklärt es sehr differenziert in ihrem gerade erschienenen Buch "Das Fluchtparadox - über unseren widersprüchlichen Umgang mit Vertreibung und Vertriebenen" (Kremayr&Scheriau). Der Umgang mit Geflüchteten ist immer auch ein demokratiepolitischer Seismograph. „Sie werden in der Forschung oft als Kanarienvögel in der Kohlemine bezeichnet. Bergleute hatten Kanarienvögel mit um zu sehen, ob es noch genug Sauerstoff gibt. Wenn der Vogel umkippt, wird es auch bald für die Bergleute eng.“
Wie unterschiedlich Geflüchtete bewertet werden, zeige, so Kohlenberger, die Ukraine versus 2015. „Jetzt sind es jene, die man sich 2015 gewünscht hätte. Mütter, Kinder, alte Menschen. Die Gruppe wird sich aber nicht als erstes in den Arbeitsmarkt integrieren. 2015 wären es demographisch gesehen genau jene gewesen, die man für den Arbeitsmarkt benötigt. Junge, fitte Männer.“
Ist es in Ordnung, so pragmatisch zu denken? Die Expertin ist sich sicher, dass Arbeitsmigration und Fluchtmigration zusammengedacht werden müssen. „Wir wissen doch - spätestens seit Corona - wie abhängig wir von ausländischen Arbeitskräften sind. In der links geführten Debatte darf man Geflüchtete nicht als Humankapital sehen. Ich sehe das anders.“
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